MUSTERFESTSTELLUNGSKLAGE ZUR WIRKSAMKEIT VON ZINSÄNDERUNGSKLAUSELN IN PRÄMIENSPARVERTRÄGEN
Februar 22, 2023
MUSTERFESTSTELLUNGSKLAGE ZUR WIRKSAMKEIT VON ZINSÄNDERUNGSKLAUSELN IN PRÄMIENSPARVERTRÄGEN

Ergebnis des Verhandlungstermins am 24. Januar 2023, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR 257/21 – (Musterfeststellungsklage zur Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen)

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat im Rahmen einer Musterfeststellungsklage über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden. Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor.

Nicht ganz unerwartet urteilte der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Sparkasse die Zinsen auf Basis einer rechtswidrigen Zinsklausel angepasst hat. Damit ist das Leiturteil vom 6. Oktober 2021 (XI ZR 234/20) gegen die Sparkasse bereits zum dritten Mal bestätigt worden. Seitdem hat der BGH in der gleichen Streitigkeit auch gegen andere Sparkassen mit gleichem Tenor entschieden.

Die BGH-Richter erklärten die Zinsklausel, die die Sparkasse in den über viele Jahre beliebten Prämiensparverträgen angewendet hat, für unwirksam. Demnach hätte ein langfristiger Zinssatz der Deutschen Bundesbank angelegt werden müssen. Im Ergebnis gilt seit dem Urteil aus Oktober 2021:

  • In langfristigen Sparverträgen darf das Kreditinstitut bei einer einseitigen Zinsanpassungsklausel nicht nach  freiem Ermessen anpassen
  • Die Zinsen müssen sich an einem langfristigen Referenzzinssatz orientieren und nach der Methode der relativen Zinsanpassung berechnet werden.
  • Details müssen mit Hilfe eines Gutachters geklärt werden.

Möglicherweise fließt hierzu ein Gutachten aus einem Rechtsstreit zwischen Verbraucher und einer anderen Sparkasse ein. Das Gutachten liegt bereits vor und es findet unserer Kenntnis nach eine Anhörung des Sachverständigen am 30. Januar 2023 zum Zinssatz vor dem Oberlandesgericht Dresden statt.


Sachverhalt zur aktuellen Entscheidung des BGH vom 24.01.2023 lt. Pressemitteilung:

Der Musterkläger ist ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. Die beklagte Sparkasse schloss seit Anfang der 1990er-Jahre mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach – bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr – gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsformularen heißt es u.a.:

„Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst.“

oder

„Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. …%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […].“

In den in die Sparverträge einbezogenen „Bedingungen für den Sparverkehr“ heißt es weiter:

„Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.“


Prozessverlauf:

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage insgesamt sieben Feststellungsziele. Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus wollte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und die Vornahme der Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes weiter.

Der XI. Zivilsenat hat über die Revisionen des Musterklägers und der Musterbeklagten am 24. Januar 2023 verhandelt.


Vorinstanz:

Oberlandesgericht Dresden – Urteil vom 31. März 2021 – 5 MK 2/20

Karlsruhe, den 12. Januar 2023

 

Zur Autorin:

Simone Emming, LL.M.oec. ist als Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und Wirtschaftsmediatorin in der MÖNIG Wirtschaftskanzlei in Münster tätig. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die Betreuung und Lösungserarbeitung vor entstehenden und während bestehender Konflikte(n) zwischen Kreditinstituten/ Investoren und ihren Kunden bzw. Gläubigern und Schuldnern, auch im Zusammenspiel mit Insolvenzverwaltern. Die Autorin ist als gelernte Bankkauffrau sowohl im klassischen Bank- und Kapitalmarktrecht wie auch im Immobilienrecht firm. Sie hat über 14 Jahre als Partnerin eine auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwaltskanzlei geführt. Zuvor war sie Syndikus-Anwältin bei einem Spezialkreditinstitut und Geschäftsführerin eines Inkassodienstleisters mit dem Schwerpunkt Management von Bankforderungen.