LOCKDOWN – ANSPRUCH AUF ENTGELTFORTZAHLUNG?
November 7, 2021
LOCKDOWN – ANSPRUCH AUF ENTGELTFORTZAHLUNG?

1. Staatlich verfügter allgemeiner Lockdown
Im April 2020 mussten aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eine Vielzahl von Unternehmen vorübergehend schließen. Arbeitnehmer konnten ihre Arbeitskraft nicht erbringen, Arbeitgeber deren Arbeitskraft nicht annehmen. Doch wer trägt das Risiko, nicht arbeiten bzw. seine Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können: Arbeitgeber oder Arbeitnehmer?

1.1. Einschätzung des Bundesarbeitsministeriums
In einer Stellungnahme im Februar 2020 äußerte sich das Bundesarbeitsministerium bereits zu dieser Frage. Es vertrat die Meinung, dass Arbeitgeber auch in Fällen einer Schließung des Betriebes aufgrund behördlicher Infektionsschutzmaßnahmen das Betriebsrisiko tragen würden. Dies hätte zur Folge, dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf Fortzahlung ihrer Vergütung während des „harten Lockdowns“ gegenüber ihren Arbeitgebern hätten.

1.2. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Doch mit dieser Einschätzung lag das Bundesarbeitsministerium nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts falsch; das höchste Gericht urteilte anders.

1.2.1. Sachverhalt
Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.10.2021 (Az. 5 AZR 211/21) war die Klage einer geringfügig beschäftigten Arbeitnehmerin. Aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und Eröffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Corona-Virus“ der Freien Hansestadt Bremen vom 23.03.2020 musste das Ladengeschäft der Arbeitgeberin schließen, weshalb die Klägerin nicht beschäftigt werden konnte. Unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach § 615 S. 1 und 3 BGB begehrte die Arbeitnehmerin die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020. Sie nahm an, ihre Arbeitgeberin trage das Betriebsrisiko und habe ihr Gehalt auch während der Zeit des „Lockdowns“ weiter zu zahlen.

1.2.2. Betriebsrisiko liegt nicht beim Arbeitgeber
Sowohl in erster als auch zweiter Instanz hatte die Klägerin damit Erfolg. Die Last der Pandemie wurde der Arbeitgeberin aufgebürdet. Das Bundesarbeitsgericht teilte die Rechtsauffassungen der Vorinstanzen jedoch nicht. Nicht der Arbeitgeber, sondern der Staat stehe schlussendlich in der Pflicht.

Ist die Erbringung der Arbeitsleistung und deren Annahme durch den Arbeitgeber aufgrund einer behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich, bestehe gegen den Arbeitgeber kein Anspruch auf Entgeltzahlung nach den Voraussetzungen des sog. Annahmeverzugs. Das Risiko des Arbeitsausfalls trage in den Fällen, in denen zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen Schließungen angeordnet werden, gerade nicht der Arbeitgeber. Es habe sich nicht das typische, für den Betrieb eigene Betriebsrisiko realisiert. Vielmehr sei die Schließung und damit die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung die Folge eines Eingriffs des Staates zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Unter dem Gesichtspunkts des Annahmeverzugs konnte dem Begehren der Klägerin daher nicht gefolgt werden.

2. Fazit
Die Situation bei sonstigen Betriebsschließungen, bei denen Arbeitnehmer vor verschlossenen Türen stehen und ihre Arbeitskraft erfolglos anbieten, ist der Lage während eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ nicht vergleichbar. Hintergrund dieser behördlichen Infektionsschutzmaßnahme war, die Arbeitnehmer vor dem Zusammentreffen anderer Arbeitnehmer zu schützen. Die gleichzeitige Anwesenheit der Arbeitnehmer sollte wegen der potentiellen Infektionsgefahr verhindert werden. Die die gesamte Gesellschaft betreffende Problematik ist deshalb nicht durch die Arbeitgeber, sondern durch den Staat zu lösen. In der Praxis geschah dies etwa durch Kurzarbeit Null (§§ 95ff. SGB III) oder durch Entschädigungen nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Welcher Weg eines finanziellen Ausgleiches der richtige für eine Entschädigung ist, hängt letztendlich vom Einzelfall ab. Gerne stehen wir Ihnen zur Klärung der Sach- und Rechtslage mit Rat und Tat zur Seite.

Zur Autorin:
Katrin Hoffmann ist als Rechtsanwältin in der MÖNIG Wirtschaftskanzlei in Münster tätig und unterstützt Firmen, Selbstständige und Privatpersonen in sämtlichen Fragen des Arbeitsrechts, von der Kündigung, der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis bis zur Gestaltung von Arbeits- oder Aufhebungsverträgen. Daneben gehören Fragestellung rund um den Betriebsrat und das Insolvenzarbeitsrecht zu ihren Schwerpunkten. Außerdem führt sie seit dem Jahr 2016 den Titel Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht.