IMPFPFLICHT – DIREKTIONSRECHT DES ARBEITGEBERS
September 29, 2021
IMPFPFLICHT – DIREKTIONSRECHT DES ARBEITGEBERS

1. Impfpflicht

Kommt die Impfpflicht oder kommt sie nicht? Und für wen? Diese Fragen treiben viele um, auch in der Arbeitswelt. Bisher sieht das Gesetz keine Impfpflicht gegen COVID-19 vor. Noch existieren lediglich Verordnungen, die sich mit dem Impfanspruch und der Impfreihenfolge beschäftigen. Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass sich der Gesetzgeber in der Vergangenheit schon mal zu einer Impfpflicht entschieden hat, etwa bei der bis 1976 geltenden Pockenschutzimpfung.

1.1 Direktionsrecht des Arbeitgebers?
Wenn das Gesetz noch nicht zur Impfung verpflichtet, so stellt sich für einige Arbeitgeber die Frage, ob er seine Mitarbeiter anweisen kann, sich impfen zu lassen. Die Pflicht zur Impfung stellt allerdings einen Eingriff in Grundrechte dar, und zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1 GG) und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs.2 S.1 GG). Für derart gravierende Grundrechtseingriffe bedarf eines berechtigten Interesses. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers dürfte nicht so weit reichen, obgleich für bestimmte Berufsgruppen hierzu widerstreitende Auffassungen vertreten werden. Letztlich dürfte es jedem Einzelnen obliegen, dies für sich persönlich zu entscheiden.

1.2 Impfung auch ohne Impfpflicht?
Auch wenn die Diskussion über ein mögliches Direktionsrecht des Arbeitgebers noch kein Ende haben dürfte, gibt es andere Möglichkeiten, auf die Weigerung der Mitarbeiter zu reagieren bzw. diese doch noch zu einer Impfung zu bewegen.

1.2.1 Steigerung der Impfbereitschaft durch Einschränkungen
So wie intensiv über eine 2G-Regelung diskutiert wird, eröffnet ein vergleichbares Instrument für den Arbeitgeber die Möglichkeit, seine Mitarbeiter zu einer freiwilligen Impfung zu bewegen. Dies kann geschehen, indem ungeimpfte Mitarbeiter nicht mehr von allen Vorzügen der übrigen Belegschaft profitieren können, also ihnen gewisse Recht vorenthalten werden. Wie weit dieser Ausschluss gehen darf, gilt es zu klären. Immerhin ist das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB zu beachten. Der Schutz der gesamten Belegschaft sollte letztlich im Fokus stehen, wobei die Beschränkungen nicht einem Tätigkeitsverbote gleichkommen dürfen.

1.2.2 Vorteile für Geimpfte
Es sprechen viele Gründe wie die Reputation des Unternehmens dafür, sich gegen Sanktionen und für einen Schritt auf die Mitarbeiter zu zu entschließen. Neben finanziellen Anreizen wie einem Impfbonus oder der Durchführung der Impfung durch den Betriebsarzt kann eine umfassende Aufklärung der Belegschaft der Schlüssel für eine Erhöhung der Impfquote sein. Sollte ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden sein, sind jedoch ggf. bestehende Mitbestimmungsrechte zu beachten, insbesondere nach § 87 Abs.1 Nr. 10 BetrVG. Eine sorgfältige Prüfung der sich bietenden Alternativen ist unerlässlich.

2. Kündigung

Vor allem im Umgang mit Risikogruppen, wie in der Pflege, wird der Ruf nach einer flächendeckenden oder zumindest überwiegenden Impfung der Belegschaft laut. Auch wenn ein Weisungsrecht, die Mitarbeiter sich impfen zu lassen, nicht bestehen dürfte, könnte der Ausspruch einer Kündigung unter Umständen in Betracht kommen. Zu denken wäre etwa an die Situation, dass der Mitarbeiter eine Gefahr für andere darstellt oder ungeimpft nicht mehr im Unternehmen – auch zu seinem Schutz – eingesetzt werden kann. Denn immerhin treffen den Arbeitgeber Fürsorge- und Schutzpflichten, die es u.a. gebieten, die Mitarbeiter möglichst gegen Gefahren für Leib und Leben zu schützen.

Der Ausspruch einer personenbedingten Kündigung darf aber nur das letzte Mittel der Wahl sein. Vorher gilt es, konkret für den jeweiligen Betrieb zu prüfen, welche anderen geeigneten Alternativen (z.B. Versetzung) bestehen. Eine Drohung mit einer Kündigung sollte jedoch auf jeden Fall unterbleiben.

3. Fazit

Es gibt viele Möglichkeiten auf die fehlende Impflicht oder auch mangelnde Impfbereitschaft der Mitarbeiter zu reagieren. Nicht immer sind Kündigungen oder Sanktionen der Königsweg. Bei der Entscheidung, wie reagiert werden soll, ist genau zu prüfen, was konkret für das jeweiligen Unternehmen geeignet und letztlich auch rechtlich zulässig ist. Ohne eine verlässliche rechtliche Prüfung sollte nicht gehandelt werden. Gerne sind wir Ihnen dabei behilflich.

 

Zur Autorin:
Katrin Hoffmann ist als Rechtsanwältin in der MÖNIG Wirtschaftskanzlei in Münster tätig und unterstützt Firmen, Selbstständige und Privatpersonen in sämtlichen Fragen des Arbeitsrechts, von der Kündigung, der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis bis zur Gestaltung von Arbeits- oder Aufhebungsverträgen. Daneben gehören Fragestellung rund um den Betriebsrat und das Insolvenzarbeitsrecht zu ihren Schwerpunkten. Außerdem führt sie seit dem Jahr 2016 den Titel Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht.