EHRVERLETZENDE ÄUSSERUNG ODER MEINUNGSFREIHEIT?
Dezember 17, 2023
EHRVERLETZENDE ÄUSSERUNG ODER MEINUNGSFREIHEIT?

Immer wieder stellt sich die Frage, ob eine ehrverletzende Äußerung eine Kündigung rechtfertigen kann oder die Grenzen der Meinungsfreiheit oder des Vertraulichkeitsschutzes dem entgegenstehen.

Bei der rechtlichen Bewertung sind grundsätzlich immer auch die Umstände zu berücksichtigen, unter denen der Arbeitnehmer die Äußerung getätigt hat.

So dürfen z.B. Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und engen Freunden in einer WhatsApp-Gruppe nicht zur Rechtfertigung einer Kündigung herangezogen werden.

Dies gilt auch bei Äußerungen unter Arbeitskollegen, die bedingt durch Aufgabe, Funktion und Art der Zusammenarbeit in ständigem Kontakt zueinanderstehen und hier eine Vertraulichkeitserwartung besteht. Anders ist dies bei Arbeitskollegen, die zufällig oder beliebig angesprochen werden.

Auch der Gesprächsort kann eine Rolle spielen. Ehrverletzende Äußerungen, die nicht an einem allgemein zugänglichen Arbeitsplatz oder nach Dienstschluss in einer Gaststätte erfolgen, können auch als vertraulich angesehen werden.

Je größer die Gesprächsgruppe allerdings ist, desto weniger besteht der Vertrauensschutz. Dies dürfte jedenfalls bei einer Anzahl von fünf bis sieben Personen der Fall sein.

Vorsicht ist aber insgesamt bei der Nutzung eines Mediums wie WhatsApp geboten, welches auf die schnelle Weiterleitung von Äußerungen gerichtet ist. Gibt man ehrverletzende Äußerungen in diesem Medium ab, steht dies einer berechtigten Erwartung von Vertraulichkeit eher entgegen.

Wesentliches Kriterium seitens des Bundesarbeitsgerichtes ist jedoch mittlerweile Folgendes:
Je persönlichkeitsverletzender sich eine Äußerung darstellt, desto weniger darf ein Arbeitnehmer damit rechnen, diese werde den Kreis der Gesprächsteilnehmer nicht verlassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht nur Ehrverletzungen stattfinden, sondern auch Straftaten gegen Leib und Leben angedroht werden. Ein Arbeitnehmer, der solche Drohungen ausspricht, kann nicht berechtigt erwarten, dass ein Gesprächspartner derartiges Wissen für sich
behält.

Im Rechtsstreit hat übrigens der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass er eine entsprechende Vertraulichkeitserwartung bei Abgabe der Äußerung gehabt hat. Im Ergebnis gilt: Datenschutz ist kein Tatenschutz.

Zum Autor:
Eric Coordes ist Partner der MÖNIG Wirtschaftskanzlei. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht berät er Mandanten in Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.