ARBEITSVERTRAGLICHE AUSSSCHLUSSFRISTEN IN DER PRAXIS
Juli 18, 2023
ARBEITSVERTRAGLICHE AUSSSCHLUSSFRISTEN IN DER PRAXIS

Ausschlussklauseln – Was ist das und wozu?

Wohl jede:r hat sie schon einmal gesehen: sogenannte Ausschluss- oder Verfallklauseln. Insbesondere in Arbeitsverträgen steht häufig der Satz: „Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten seit Fälligkeit gegenüber der anderen Partei geltend gemacht werden.“

Über lange Jahre war eine solche Klausel wirksam. Zunächst entstand Streit darüber, wie lange die Geltendmachung möglich sein soll. Natürlich wollten Arbeitgeber gerne kurze Fristen – gerade bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses will man schnell Klarheit darüber haben, ob noch Ansprüche kommen. Und der eine oder die andere Arbeitnehmer:in wird nach Kündigung erst so richtig einfallsreich, was – angeblich – noch offene Ansprüche angeht: Urlaubsabgeltung, Überstunden, Zuschläge etc. Hier kann einiges an Ungemach drohen.

Die ursprüngliche Idee hinter den Klauseln bestand auch darin, die Verjährung – vor der Schuldrechtsreform 2002 immerhin 30 Jahre, seither für die meisten Ansprüche „nur noch“ drei Jahre – zu verkürzen. Nicht erst nach drei Jahren, sondern nach einem oder zwei Monaten sollte „Ruhe“ herrschen. Recht schnell hat die Rechtsprechung indes entschieden, dass genügend Zeit bleiben muss, um den Anspruch geltend zu machen. So haben sich Klauseln mit „zwei mal drei Monaten“ als Standard etabliert. Heißt: innerhalb von drei Monaten muss man den Anspruch in Textform – schriftlich, E-Mail, WhatsApp – geltend machen, wird der abgelehnt, muss man innerhalb weiterer drei Monate klagen.

Wo ist das Problem?

Das ging so lange gut, bis die ersten Mindestlöhne kamen: das Arbeitnehmerentsendegesetz aus dem Jahr 2009 und die Pflegearbeitsbedingungenverordnung aus dem Jahr 2010 sahen erstmals Mindestlöhne für die in diesen Bereichen Beschäftigten vor, das BAG entschied schon 2016, dass mit Ansprüchen auf diese Mindestlöhne nicht „kurzer Prozess“ durch Verfallfristen gemacht werden kann. Durch das allgemeine Mindestlohngesetz und andere Gesetzte wurden derartige Mindestarbeitsbedingungen auch in anderen Zweigen bzw. flächendeckend üblich.

Damit sind alle Klauseln, die „alle Ansprüche“ aus einem Anstellungsverhältnis erfassen, ohne Weiteres unwirksam. Grund dafür ist, dass Arbeitsverträge wie allgemeine Geschäftsbedingungen zu behandeln sind. Findet sich in einem Arbeitsvertrag eine Klausel, die unter bestimmten Bedingungen gegen gesetzliche Regelungen verstößt, so muss diese Klausel komplett gestrichen werden. Eine Einschränkung – unter Juristen „geltungserhaltende Reduktion“ genannt – ist nicht zulässig. Wenn also die Klausel „alle Ansprüche“ erfassen soll, dann sind damit im Zweifel eben auch Mindestlohnansprüche gemeint; da dies nicht zulässig ist, ist die Klausel insgesamt unwirksam.

Sind Ausnahmen die Lösung?

Eine zulässige Klausel muss daher alle möglichen Ansprüche ausklammern: Mindestlöhne, Ansprüche aus Tarifverträgen, Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen, Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche. Und damit nicht genug: eine früher wirksame Klausel wird mit der nächsten Änderung der Rechtsprechung bzw. gesetzlicher Regelungen möglicherweise ebenfalls unwirksam. So war – in der vor-Smartphone-Ära – es durchaus üblich, dass man die „schriftliche Geltendmachung“ von Ansprüchen verlangte, damit diese nicht verfallen. Eine E-Mail oder eine WhatsApp-Nachricht sind aber nicht „schriftlich“ im Sinne des § 126 BGB – hier wird eine eigenhändige Unterschrift verlangt, die es bei elektronischen Medien eben häufig nicht gibt. Der Gesetzgeber führte deshalb 2013 mit § 126b BGB die „Textform“ ein – eine „lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist“ die „auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden“ muss. Damit genügt zwar die WhatsApp-Nachricht – doch der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Textform auch die AGB-Regelungen angepasst. Gemäß § 309 Nr. 13b BGB ist – außerhalb von notariellen Verträgen – eine strengere Form als die Textform für Erklärungen nicht mehr zulässig.

Fazit

Im Ergebnis müssen die Klauseln regelmäßig geprüft und auf den aktuellen Stand gebracht werden. Ärgerlicherweise können die Verträge auch nicht – im Gegensatz zu den AGB – einfach geändert und der Mitarbeiter:in ausgehändigt werden: eine einseitige Änderung ist nicht möglich (höchstens durch Änderungskündigung, aber die wird sich kaum sinnvoll begründen lassen), sodass eine Anpassung nur durch einen Änderungsvertrag möglich wäre. Einen Vertrag, mit dem die Arbeitsbedingungen nur nachteilig für den Mitarbeiter:in geändert werden, wird diesen wohl kaum unterschreiben – vielleicht schon eher in Kombination mit einem Entgegenkommen, z.B. einer ohnehin geplanten Gehaltserhöhung o.ä.

Wichtig sind aktuelle Klauseln für Neuverträge und natürlich auch dafür, um im Ernstfall zu wissen, „was auf einen zukommt“. Ein genereller Verzicht dürfte sich dennoch nicht empfehlen – Rechtssicherheit nach drei bzw. sechs Monaten anstelle von drei Jahren.

 

Zum Autor:

Rechtsanwalt Sebastian Voitzsch ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei in Münster. Er berät Mandanten vorwiegend in Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und im Bereich der Prozessführung.