Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz: „SanInsFoG“) vorgelegt. Mit dem Gesetz soll die Richtlinie (EU) 2019/1023 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen umgesetzt werden. Darüber hinaus enthält der Entwurf Änderungen der Insolvenzordnung, insbesondere im Bereich der Eigenverwaltung, sowie des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes.
Die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht hätte spätestens zum 17.07.2021 erfolgen müssen, jedoch hat die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung den Umsetzungsdruck zusätzlich erhöht. Aus dem Referentenentwurf zum SanInsFoG geht hervor, dass das hierin dargestellte Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen („StaRUG“) bereits am 1. Januar 2021 in Kraft treten soll.
1. StaRUG als eigenes Gesetz
In dem derzeitigen Gesetzesentwurf ist vorgesehen, dass die Umsetzung des Präventiven Restrukturierungrahmens in einem eigenen Gesetz („StaRUG“) erfolgt und nicht in die Insolvenzordnung integriert wird. Jedoch wird in Teilen auf die bewährten Regelungen der Insolvenzordnung zurückgegriffen, um umfängliche Restrukturierungsmaßnahmen zu ermöglichen und das vielfach mit einer Insolvenz verbundene Stigmata zu vermeiden.
2. Restrukturierungsplan
Die Regelungen zum Restrukturierungsplan sind an die bereits vorhanden Vorschriften des Insolvenzplans gem. §§ 217 ff. InsO angelehnt. Hierbei erfolgt eine Vorstellung der aktuellen Unternehmenssituation (Darstellender Teil, § 8 StaRUG), sowie die Beschreibung der sodann im Rahmen des Restrukturierungsplans erforderlichen Maßnahmen, die mit diesem Plan beschlossen werden (Gestaltender Teil, § 9 StaRUG). In dem darstellenden Teil sind insbesondere die Erklärung zur Bestandsfähigkeit, eine Vermögensübersicht sowie ein Ergebnis- und Finanzplan beizufügen.
Für die Planabstimmung werden jeweils Gläubigergruppen gebildet, wobei 75% des Forderungsvolumens je Gruppe dem Plan zustimmen muss. In dem Restrukturierungsplan können jedoch nur sogenannte „Restrukturierungsforderungen“ gestaltet werden. Bei Forderungen von Arbeitsnehmern handelt es sich um von den Restrukturierungsforderungen ausgenommene Rechtsverhältnisse (§ 6 StaRUG). Somit können arbeitsrechtliche Maßnahmen nicht in dem Restrukturierungsplan umgesetzt werden.
Neu für die Verfahrensbeteiligten ist die Möglichkeit einer Abstimmung sowohl im Rahmen eines gerichtlichen als auch außergerichtlichen Verfahrens. Der Gesetzgeber gesteht den Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Schuldnerin, eine weitgehende Gestaltungsautonomie zu.
3. Verfahrenshilfen
Um die mit dem geplanten Sanierungsplan verfolgten Ziele erreichen zu können, gibt der Gesetzgeber der Schuldnerin verschiedene Instrumente an die Hand, welche isoliert voneinander oder in Kombination genutzt werden können.
a) Durchführung eines Planabstimmungsverfahrens durch das Restrukturierungsgericht
b) Möglichkeit der Vorprüfung einer Frage durch das Restrukturierungsgericht
c) Aufhebung von gegenseitigen, nicht beiderseitig erfüllten Verträgen durch das Restrukturierungsgericht (vgl. Regelungen gem. §§ 103, 109 InsO)
d) Untersagung / Einstweilige Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sowie eine Verwertungssperre von Gegenständen, die für Unternehmensfortführung von erheblicher Bedeutung sind für einen Zeitraum von drei Monaten
4. Verfahrensbeteiligte
Neben dem beteiligten Restrukturierungsgericht kann dies insbesondere der Restrukturierungsbeauftrage sein. Eine Bestellung ist zwar nicht Voraussetzung für die Durchführung eines Sanierungsverfahrens, soll jedoch dann erfolgen, wenn Verbraucherinnen, mittlere, kleine oder Kleinstunternehmen an dem Verfahren beteiligten werden, eine Stabilisierungsanordnung erwirkt, eine Vertragsbeendigung beantragt oder eine Überwachung des Restrukturierungsplanes vorgesehen ist. Die Rolle des Restrukturierungsbeauftragens ist derjenigen des (vorläufigen) Sachverwalters im Rahmen der insolvenzrechtlichen Eigenverwaltung nachempfunden, jedoch nicht so weitreichend.
Weiterer potenzieller Verfahrensbeteiligter ist ein Sanierungsmoderator (§ 95 ff. StaRUG). Dieser kann auch auf Antrag einem Restrukturierungsschuldner zur Seite gestellt werden, um in den Verhandlungen mit den beteiligten Gläubigern als eine Art Mediator aufzutreten. Die Person des Moderators ist nicht identisch mit derjenigen des Restrukturierungsbeauftragten, sondern soll losgelöst von den Einsetzungsvoraussetzungen des § 77 StaRUG bestellt werden können, um den Schuldner zu unterstützen.
5. Rechtsfolgen der Planzustimmung
Die Wirkungen des Restrukturierungsplans treten gegenüber sämtlichen Planbetroffenen ein. Die Rechtsfolgen ähneln somit denen zum Insolvenzplan. Mit der Planzustimmung geht ein weitreichender Ausschluss der Insolvenzanfechtung einher und ordnet zu Gunsten der beteiligten Geschäftsleiter an, dass die im Rahmen der Sanierung erfolgten Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind.
6. Bedeutung für die Restrukturierungspraxis
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des StaRUG ist insbesondere vor dem Hintergrund der bis zum 31.12.2020 ausgesetzten Insolvenzantragspflicht für den Tatbestand der Überschuldung zu sehen. In dem aktuellen Referentenentwurfs zum SanInsFoG wird die Frist zur Stellung des Insolvenzantrags bei einer eingetretenen Überschuldung von drei auf maximal sechs Wochen verlängert (§ 15a Abs. 1 S.2 InsO). Zudem wurde eine widerlegbare Vermutung in dem § 15b InsO aufgenommen, die Zahlungen nach Eintritt der Überschuldung als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar ansieht, wenn der Geschäftsleiter die Antragsstellung vorbereitet oder Maßnahmen zur Beseitigung der Überschuldung betreibt.
Durch die Verbindung der Änderungen der Insolvenzordnung mit dem Inkrafttreten des StaRUG kann eine effektive, nachhaltige Restrukturierung von Unternehmen erfolgen, die insbesondere durch die Corona-Pandemie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Jedoch ist regelmäßig zu prüfen, ob die Tatbestände einer Insolvenzantragspflicht verwirklicht sind und Haftungsrisiken für die Geschäftsleiter bestehen.
Für die frühzeitige Vorbereitung und Durchführung eines Präventiven Restrukturierungsrahmens sowie eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens steht unsere Praxisgruppe Restrukturierung mit erfahrenen Restrukturierungsberatern und Sanierungsspezialisten jederzeit zur Verfügung.