Corona-bedingte Rechtsänderung für Gewerbemiete

Durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrechts sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22. Dezember 2020 wurden sowohl dem EGBGB als auch der EGZPO neue Vorschriften für das Gewerbemietrecht hinzugefügt. Tiefgreifende Neuerungen und vor allem Dingen eine geänderte Risikoverteilung zwischen Mieter und Vermieter sehen die Neuregelungen jedoch nicht vor.

 

  1. Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

Artikel 240 EGBGB wurde um einen § 7 erweitert. Dieser lautet:

§ 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Ziel der Neuregelung ist es dabei nicht, den Gewerbemieter bei Corona-bedingten Eingriffen von der Mietzahlungspflicht zu befreien und so das Corona-Risiko auf den Vermieter abzuwälzen. Vielmehr soll die Regelung in erster Linie klarstellen, dass die allgemeinen Regelungen, insbesondere die über die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB auch in Coronafällen grundsätzlich anwendbar sind und nicht etwa durch die für die Monate April bis Juni 2020 durch Artikel 240 § 2 EGBGB eingeführte vermieterseitige Kündigungsbeschränkung verdrängt werden.[1] Auf diese Weise soll die Verhandlungsbereitschaft der Parteien des Miet- oder Pachtvertrags gestärkt werden.[2]

Trotz der gesetzlichen Vermutungen können Gewerbemieter nun jedoch nicht automatisch eine Vertragsanpassung verlangen. Vermutet wird durch die Neuregelung lediglich die nach § 313 BGB vorausgesetzte Umstandsänderung. Die Störung der Geschäftsgrundlage setzt jedoch weiter voraus, dass die Parteien, wenn sie diese Änderung vorausgesehen hätten, eine anderweitige Regelung getroffen hätten und das Festhalten am bestehenden Vertrag einer Partei, hier dem Mieter, nicht mehr zugemutet werden kann. Diese zwei weiteren Voraussetzungen sind im Streitfall vom Mieter zu beweisen. Hierbei ist jeweils auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Insbesondere wird zu berücksichtigen sein,

–   wie die vertragliche Risikoverteilung ausgestaltet ist: Hat der Vermieter bspw. eine Nutzungsgarantie abgegeben oder wurde das Risiko der Nutzungsgenehmigung dem Mieter zugewiesen,

–   ob der Mieter anderweitige Kompensationsleistungen, z. B. staatliche Hilfszahlungen erhalten hat,

–   ob der Mieter die angemieteten Räume anderweitig nutzen kann (z. B. als Lagerräume für Onlinehandel).

Außerdem muss der Mieter beweisen, dass die Einschränkungen aufgrund eines staatlichen Eingriffs erfolgen. Ein bloßer Umsatzrückgang aufgrund von veränderten Kaufverhalten der Kundschaft stellt keinen staatlichen Eingriff dar, sondern fällt unter das allgemeine unternehmerische Risiko eines Gewerbemieters.

 

  1. Gerichtliches Beschleunigungsgebot

Kann zwischen Mieter und Vermieter keine Einigung gefunden werden, wird vielfach nur eine Beschreitung des Rechtswegs übrig bleiben. Diesbezüglich wurde in das Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (EGZPO) ein neuer § 44 eingefügt. Dieser lautet:

§ 44 Vorrang- und Beschleunigungsgebot

(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.

(2) In Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.

Durch das Beschleunigungsgebot soll im Interesse beider Parteien zeitnah eine Klärung herbeigeführt und somit Rechtsunsicherheit vermieden werden. Dennoch dürfte einer von den Parteien gefundene einvernehmliche Lösung nach wie vor der schnellere und vor allem Dingen ressourcensparendere Weg sein.

Gewerbemieter, die Pandemie-bedingt die Geschäftsgrundlage ihres Mietvertrags gestört sehen, sollten daher frühzeitig Kontakt mit dem Vermieter aufnehmen. Vorsicht ist insbesondere geboten bei pauschalen Mietkürzungen ohne Begründung. Da es sich bei den Vorschriften über die Störung der Geschäftsgrundlage um einzelfallbezogene Vorschriften mit einem nicht unerheblichen Bewertungsspielraum handelt, ist der Ausgang eines möglichen Rechtsstreits nur schwer vorauszusagen. Zu berücksichtigen ist dabei auch das beim Mieter verbleibende Beweislastrisiko. Sollten sich vom Mieter vorgenommene Mieteinbehalte im Nachhinein als unberechtigt herausstellen, bleibt nach wie vor das Risiko einer außerordentlichen Kündigung durch den Vermieter.

Ob eine derartige außerordentliche Kündigung zum aktuellen Zeitpunkt für den Vermieter die beste Lösung darstellt, sei an dieser Stelle jedoch dahingestellt. Gerade wenn das Mietverhältnis ansonsten gut ist, dürften Verhandlungen für beide Parteien der beste Weg sein.

Bei weiteren Fragen hierzu beraten wir Sie gerne. Zögern Sie nicht uns anzusprechen.

 

Zur Autorin:

Clarissa Tietz ist seit Anfang 2018 als Rechtsanwältin in der MÖNIG Wirtschaftskanzlei in Münster tätig und unterstützt Unternehmen in Fragen des Wirtschaftsrechts sowie Nachfolge- und Erbrechtsangelegenheiten.

 

[1] Vgl. BT-Drucks. 19/25322.

[2] Vgl. BT-Drucks. 19/25322.